- wilde Kinder
- wilde Kinder,Schon sehr alte Überlieferungen berichten von wilden Kindern, das heißt verlassenen, ausgesetzten oder auch geraubten Kleinkindern, die - z. B. von Wölfen aufgezogen (Wolfskinder) - eines Tages unter die Menschen zurückkehrten. Daneben gibt es auch Berichte, nach denen Kleinkinder bewusst unter isolierenden Bedingungen aufgezogen worden seien, wobei diese Maßnahmen zur Entscheidung bestimmter Sachfragen oder aber aus kriminellen Motiven heraus getroffen wurden.Will z. B. der Mythos von der Gründung Roms mit der Aufzucht von Romulus und Remus durch eine Wölfin noch die wunderbare Abkunft der Helden unterstreichen oder gelten später wilde Kinder als Unheilsboten (z. B. in einer Meldung über ein 1631 bei Southampton aufgefundenes Kind) und als Objekte höfischer Schaulust, so verdanken sie seit der Aufklärung ihre Aufmerksamkeit einem gelehrten Publikum und einer neu entstehenden Öffentlichkeit für anthropologische und pädagogische Fragen. Dass der Mensch nur im Schoße der Gesellschaft den hervorragenden Platz finden kann, der ihm von der Natur zugedacht ist, und ohne Zivilisation eines der schwächsten und unverständigsten Tiere sei, war beispielsweise die Grundauffassung des Arztes und Pädagogen J. Itard, die er in einem ersten Gutachten über den Wilden von Aveyron (1797 erstmals gesichtet und später dann gefangen) äußerte. Itard verteidigte seine Meinung auch dann noch gegen alle Einwände, als die Versuche, den Wilden zu bilden, weitgehend fehlgeschlagen waren.Besondere Beachtung fand seit dem 19. Jahrhundert das Schicksal des gleichfalls isoliert aufgezogenen Kaspar Hauser. Bezug nehmend auf ihn spricht man von Kaspar-Hauser-Versuchen, wenn man das Verhalten von isoliert aufgezogenen Tieren studieren will.
Universal-Lexikon. 2012.